Smart Grid Metrics
Motivation
Die meisten dezentralen Erzeugungsanlagen wie Photovoltaik- und Windkraftanlagen speisen in Verteilungsnetze mit Spannungen zwischen 0,4 und 20 kV ein. Die ursprüngliche Hauptaufgabe dieser Netze war die Versorgung von Kunden mit Elektrizität. Durch den massiven Zubau der dezentralen Erzeugung in Deutschland in den letzten Jahren sind als zusätzliche Aufgaben die Aufnahme dezentral erzeugter Leistung und zunehmend auch die Übertragung überschüssiger Leistung in das überlagerte Transportnetz bzw. das europäische Verbundnetz hinzugekommen. Für die nächsten Jahre und Jahrzehnte wird mit einem weiteren massiven Ausbau gerechnet, wobei vielerorts die bestehenden Netze für die erwarteten Leistungen nicht mehr ausreichend dimensioniert sein werden, vereinzelt ist dies bereits heute der Fall. Darüber hinaus werden Verteilungsnetze zukünftig bestimmte Systemdienstleistungen für die überlagerten Systemebenen bereitstellen müssen, die von den verteilten Erzeugern und/oder Speichern erbracht und entsprechend aufkummuliert und abgerufen werden müssen.
Um diese Aufgaben zu erfüllen, ist neben klassischen Netzausbaumaßnahmen der Einsatz sog. Smart-Grid-Technologien erforderlich, mit denen die Verteilungsnetze zu Smart Grids ("intelligenten Netzen") aufgerüstet werden sollen. Die Smart-Grid-Technologien stellen ein Bündel unterschiedlicher, mehr oder weniger aufwendiger und z. T. konkurrierender Technologien dar. Der Einsatz dieser Technologien hat sich nach ihrem Beitrag zur Erreichung von wohldefinierten Zielen zu orientieren. Sie sind demnach kein Selbstzweck, sondern sollen unter technischen und wirtschaftlichen Aspekten bewertet, ausgewählt und dimensioniert werden.
Aufgabenstellung
Systematische Untersuchung von Smart-Grid-Technologien und ihrer Kombinationen auf
- ihren Beitrag zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Verteilungsnetzen und
- ihr Nutzen-Kosten-Verhältnis
mittels der Methode der Smart-Grid-Metrik.
Vorgehensweise
Grundlage für die Untersuchungen ist die sog. Smart-Grid-Metrik. Sie ist ein Werkzeug, um die Leistungsfähigkeit von Verteilungsnetzen messen und vergleichen zu können. Entscheidendes Merkmal der Metrik ist, dass die Leistungsfähigkeit ausschließlich über den Erfüllungsgrad von Zielen des Netzbetriebs – wie Sicherheit und Zuverlässigkeit – definiert ist und nicht über den Einsatzumfang von Smart-Grid-Technologien. Der Erfüllungsgrad der Ziele wird mit Indexwerten auf einer Skala zwischen 0 (keine Erfüllung) und 10 (volle Erfüllung) abgebildet, diese Indexwerte lassen sich zu übergreifenden Indexwerten zwecks kompakter Darstellung der Leistungsfähigkeit aggregieren.
Tabelle 1 zeigt den prinzipiellen Zusammenhang zwischen Zielen ("targets", 5 Oberkategorien, in Zeilen) und Technologien ("measures", 3 Oberkategorien, in Spalten): Der Einsatz von Technologien kann positiv auf die Erreichung bestimmter Ziele wirken, was durch Kreuze in den entsprechenden Schnittpunkten angezeigt wird (weiße Matrix unten rechts).
Beispiel: Der Einsatz von ferngesteuerten Lasttrennschaltern in Mittelspannungsnetzen hat einen positiven Einfluss auf die Ziele "Reduktion der Dauer von Versorgungsunterbrechungen" und "Einfacher Netzbetrieb" sowie beschränkt positiven Einfluss auf die Ziele, die Spannungen und Ströme im Netzbetrieb innerhalb des zulässigen Bereichs zu halten. Die Erreichung des Ziels "Reduktion der Dauer von Versorgungsunterbrechungen" kann auch durch andere Maßnahmen verbessert werden, z. B. durch Veränderung der Netztopologie.
Die zu untersuchenden Smart-Grid-Technologien werden in Netzanalysesystemen modelliert und in einer repräsentativen Menge von artifiziellen und realen Verteilungsnetzmodellen implementiert. Mithilfe von Simulationen, die sowohl auf extremen Betriebszuständen als auch auf gemessenen Zeitreihen basieren, wird der Einfluss der Technologien auf das Verhalten der Verteilungsnetzmodelle, damit der Grad der Zielerreichung und letztlich die Netzleistungsfähigkeit im Sinne der Smart-Grid-Metrik bestimmt. Anhand typischer Kosten werden die Technologien mit entsprechenden klassischen Netzausbaumaßnahmen wirtschaftlich verglichen. Als Ergebnis können quantitativ untermauerte Empfehlungen für bestimmte Technologien bzw. Technologiepakete gemacht werden.
Tab. 1: Tableau der Smart-Grid-Metrik
Bisherige Ergebnisse
Technologie „Blindleistungsmanagement durch dezentrale Erzeugungsanlagen“ (RPM-DG)
Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse der Untersuchung:
Für Kosten-Nutzen-Analysen ist weiter zu untersuchen, welche klassischen Netzmaßnahmen durchzuführen sind, um Indexwerte zu erreichen, wie sie durch die Smart-Grid-Maßnahmen erreicht werden. Als Nutzen werden die vermiedenen Kosten für die klassischen Netzmaßnahmen angesetzt.
Abb. 1: Ergebnisse für RPM-DG |
Bearbeiter
Dipl.-Wi.-Ing. Maximilian Arnold
M. Sc. Han Rui
Veröffentlichungen
- M. Arnold, H. Rui, W. H. Wellßow: An Approach to Smart Grid Metrics, IEEE ISGT Europe 2011, Manchester, 2011
- M. Arnold, H. Rui, W. H. Wellßow: Die Leistungsfähigkeit von Stromnetzen messbar machen: "Smart Grid Metrik", technikforum, Mannheim, 2012
- M. Arnold, H. Rui, W. H. Wellßow: Synthetic Medium Voltage Grids for the Assessment of Smart Grid Techniques, IEEE ISGT Europe 2012, Berlin, 2012